Stark. Stärker. Starke Demokratie Podcast.

Wenn du im Kreis Pinneberg unterwegs bist, lernst du schnell Stefanie Fricke kennen. Sie ist nicht nur die Künstlerische Leiterin der Stiftung Landdrostei, systemischer Coach, Beraterin und engagiertes Mitglied im Verein „Starke Demokratie e.V.“, sondern auch aktive soziale Netzwerknutzerin. Du begegnest ihr also analog und digital immer wieder. Gemeinsam mit dem Vereinsvorstand „Starke Demokratie“ hat Frau Fricke vor kurzem einen neuen Podcast auf den Weg gebracht. Heute möchten wir gern mit ihr darüber sprechen.

Liebe Frau Fricke, Sie haben im August 2020 Ihre erste Folge des „Starke Demokratie“ Podcasts veröffentlicht. Wie ist es dazu gekommen? Was waren die Beweggründe?

Zunächst: An dem Podcast sind viele beteiligt, mein Anteil ist vielleicht der „öffentlichste“, aber bei weitem nicht der größte.
Das Thema „Demokratie“ treibt mich eigentlich schon immer um. Mein Vater war in der Kommunalpolitik aktiv und meine Eltern haben sich beide immer in unterschiedlichen Vereinen für das Gemeinwohl engagiert. Ich fühle also schon immer so etwas wie eine innere Verpflichtung zu bürgerlichem Engagement als Säule einer funktionierenden Gesellschaft.
Der Verein „Starke Demokratie“ ist ja ein noch junger Verein, Initial der Gründung war der Mord an Walter Lübcke 2019, der uns alle erschüttert hat. Inzwischen ist „Starke Demokratie“ deutschlandweit aktiv, was zeigt, wie sehr uns das Thema Demokratiestärkung unter den Nägeln brennen muss. Einer der beiden Gründer ist übrigens auch ein Pinneberger, Niels Fischer, den ich im Rahmen unserer Ausbildung zum systemischen Coach kennen gelernt habe. Als Corona die ersten Aktivitäten des Vereins ausgebremst hat, kamen Niels und sein Vorstandskollege Meinolf Meyer auf die Idee, die Vereinsthemen zunächst via Podcast bekannt zu machen und suchten jemanden, der reden kann. Ich glaube, das kann ich, zumindest mache ich es gerne. Darüber hinaus mit so spannenden Menschen sprechen zu können, ist eher etwas, das ich bekomme als etwas, das ich gebe.
Niels und Meinolf sind unglaublich aktiv und „Mitschnacker“ im besten Sinn: Der Verein wächst und wächst und es gibt unglaublich tolle Menschen, die sich aktiv einbringen.

In der Podcast-Folge Nr. 8 interviewen Sie die Bürgermeisterin von Schenefeld, Christiane Küchenhof. Sind Frauen in Führungspositionen auf kommunaler Ebene wichtig für Sie? Machen mehr Frauen in der Politik und in den Parlamenten unsere repräsentative Demokratie stärker?

Nicht nur auf kommunaler Ebene. Überall. Es heißt ja nicht umsonst „repräsentative“ Demokratie, und um repräsentativ zu sein, müssten Politik und politische Gremien auch so weit wie möglich den Querschnitt der Gesellschaft abbilden. Ich bin überzeugt davon, dass ein möglichst divers aufgestelltes Parlament zu besseren, passgenaueren Ergebnissen kommt. Das ist bestimmt nicht immer der einfachste und schnellste Weg. Diskussion und Kompromisse brauchen Zeit, aber dafür sie sind auch tragfähiger, weil sich viele dahinter versammeln. Karo-einfache Lösungen für komplexe Themen und Probleme kann es nicht geben.
Frauen in Führungspositionen sind natürlich wichtig, schon allein, weil sie über die Hälfte der Gesellschaft ausmachen. Es kann nur sinnvoll sein, wenn wir uns gegenseitig das Beste voneinander abgucken.

Die Frage, die Sie in den Shownotes aufgreifen, stellen wir uns auch häufiger: „Wer wird morgen noch für uns Kommunalpolitik machen?“ – insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema von
Podcast-Folge Nr. 6 (politische Gewalt). Sind Frauen hiervon intensiver betroffen? Wie können sich Betroffene schützen?

Grundsätzlich ist Bedrohung, Hate Speech im Netz und Gewalt für Betroffene furchtbar und inakzeptabel. Und wenn ich als Kommunalpolitikerin Sorge um meine Gesundheit, mein Leben und das meiner Familie haben muss, ist das für alle gleich schlimm. Frauen werden in meiner Wahrnehmung aber viel häufiger auch aggressiv sexistisch angegangen, offenbar in dem Bestreben, sie einzuschüchtern und aus Entscheiderinnenpositionen zu verdrängen. Das hat noch einmal eine andere Dimension, die Angst und Ohnmacht auslöst. Insbesondere auf kommunaler Ebene, da hier die Kontakte ja naturgegeben viel enger sind, weil sie das eigene Lebensumfeld sind. Man kennt sich halt und es ist ja eigentlich durchaus positiv, wenn Politikerinnen nah bei denen sind, für die sie im Parlament sitzen. Und gerade deshalb ist es eine Verpflichtung von uns allen, unsere Kommunalpolitikerinnen zu schützen, wo immer man es vermag. Der Verein „Starke Demokratie“ setzt auf präventive Formate: Workshops, Infos, Netzwerke, Kontakte zu beratenden, helfenden Organisationen und Vieles mehr. Was mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist die Aussage eines Kommunalpolitikers, der massivst bedroht wurde und dessen Umfeld kernig betont hat, es würde fest hinter ihm stehen. Er aber hätte sich gewünscht, es hätte sich jemand schützend vor ihn gestellt. Ein passendes Bild, finde ich.
Wichtig ist aus meiner Sicht, sich nicht erst um das Thema Bedrohung zu kümmern, wenn es zu spät ist: Alle Parteien sind aufgerufen, ihre Mandatsträgerinnen vorzubereiten auf das, was kommen kann, Handlungsempfehlungen zu geben im Umgang mit persönlichen Kontaktdaten, Social Media-Kanälen usw. Und dafür zu sensibilisieren, schnell anzuzeigen und nicht erst zu warten. Das ist ja oft auch eine entscheidende Frage: Ab wann ist Kritik nicht mehr nur Kritik sondern Beleidigung oder mehr? Nein, ich bin eben nicht überempfindlich, wenn ich nicht beschimpft oder verunglimpft werden möchte. Dafür braucht es Ansprechpartnerinnen, fraktionsübergreifend, die die entscheidenden Beratungsangebote kennen und auf dem Laufenden bleiben.
Übrigens würde ich auch gerne noch einen Gedanken beisteuern, den ich im Interview mit Anna-Lena von Hodenberg gelernt habe, der Gründerin von HateAid, einer tollen und starken Initiative. Ich treffe häufiger Menschen, die sagen, sie akzeptieren Hassrede im Netz nicht und würden sich deshalb bei Facebook und Co. abmelden. Anna-Lenas Aufruf dazu war, sich eben nicht abzumelden, sondern aktive Gegenrede betreiben: Deeskalierend und sachlich. Nicht einfach, aber bestimmt wirkungsvoller als Wegsehen.

Und zum Schluss für die interessierten Leser*innen, die nun unbedingt weiterhören wollen: Wo können wir Ihren Podcast finden? Und welche Themen sind noch geplant?

Alle Podcastfolgen und viele Infos sind über die Seite des Vereins „Starke Demokratie“ zu finden: https://www.starkedemokratie.de/
Demnächst wird es ein Interview mit einem Betroffenen geben, das Niels Fischer führen wird. Und ich bin gespannt auf mein Gespräch mit Stefanie John von der Heinrich-Böll-Stiftung, Mitautorin der Studie „Beleidigt und bedroht – Arbeitsbedingungen und Gewalterfahrungen von Ratsmitgliedern in Deutschland.“

Vielen Dank für das Gespräch!

Ein Beitrag von Deborah Azzab-Robinson, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Pinneberg