„Yes she can“ Frauen machen Politik!

Am 13. Juni fand der erste digitale Frauenempfang  der Gemeinde Rellingen statt.  Nach einem fachlichen Input von Tannaz Falaknaz (EAF Berlin/Helene-Weber-Kolleg)  diskutierten zahlreiche Politiker*innen und interessierte Bürger*innen lebhaft über die Hürden für Frauen in der Kommunalpolitik. Auch konkrete Lösungsansätze wurden thematisiert.

„Yes she can“ – das gilt für Frauen, die Politik machen wollen, seit über einhundert Jahren in Deutschland. Seitdem das aktive und passive Wahlrecht  erkämpft und 1918 wurde, haben Frauen rechtlich den Zugang zur politischen Gremienarbeit. Trotzdem sind paritätisch besetzte Parlamente immer noch eine große Ausnahme. Im Bundestag liegt der Frauenanteil nur bei rund 30 Prozent und auf anderen Ebenen ist der Frauenanteil noch viel geringer: Es gibt in Deutschland mehr Oberbürgermeister, die Thomas heißen, als weibliche Oberbürgermeisterinnen. Insgesamt liegt die Quote der weiblichen Bürgermeisterinnen bei nur rund 9 Prozent. Da stehen die Städte im Kreis Pinneberg mit einer Bürgermeisterinnen-Quote von 40 Prozent schon gut da!

Junge Mütter haben es wie immer besonders schwer

Doch woran liegt es, dass Frauen sich seltener dazu entscheiden (kommunal-) politische Ämter zu übernehmen oder schlechtere Chancen haben, im Politikbetrieb aufzusteigen? Zu dieser Frage haben auch Kommunalpolitikerinnen aus Rellingen persönliche Statements abgegeben. Klar wurde, dass vor allem jüngere, erwerbstätige Frauen große Mühe haben, ihren Job und ihr Ehrenamt mit der Kinderbetreuung zu vereinen. Die Teilnahme an den vielen und langen Sitzungen in den Abendstunden kann nur realisiert werden, wenn Partner*innen, Babysitter oder Großeltern vor Ort sind. Daher sind die Mitglieder der Fraktionen in Rellingen mehrheitlich in einem höheren Alter, denn sie haben schlichtweg mehr zeitliche Ressourcen. Für das Vereinbarkeitsproblem gibt es verschiedene Lösungsansätze. Rellingens Bürgermeister Marc Trampe erwähnt, dass die Möglichkeit zur digitalen Sitzungsteilnahme für viele Eltern oder Erwerbstätige eine Erleichterung bieten würde. Aber auch schon ein verbindliches Sitzungsende würde das Problem mit der Kinderbetreuung erleichtern! In einigen Kommunen im Kreis ist dies bereits realisiert. So werden die Sitzungen in der Stadt Pinneberg um 22:00 Uhr unterbrochen und an einem anderen Tag fortgesetzt.

Die geladene Expertin Tannaz Falaknaz betont an dieser Stelle, dass in vielen Kommunen die Kommunalpolitiker*innen eher schon in der zweiten Lebenshälfte sind, sodass die Interessen von jüngeren Personen bei politischen Entscheidungen weniger mitgedacht werden. Es gilt also grundsätzlich, junge Menschen für das Ehrenamt der Kommunalpolitik zu begeistern.

Mehr als das Vereinbarkeitsproblem

Vor allem junge Frauen empfinden den Einstieg in die Politik als große Hürde – Es sind ja auch unbekannte Strukturen, Abläufe und Regeln, in die sie sich erst einarbeiten müssen. Davon sind viele Frauen erst einmal eingeschüchtert und trauen sich dementsprechend auch weniger zu. Tannaz Falaknaz berichtet, wie hier ein Mentorinnenprogramm helfen kann: Durch eine schon erfahrene Politikerin werden die Nachwuchspolitikerinnen an die Hand genommen und in die Strukturen eingeführt. Sie haben dann auch immer eine Ansprechpartnerin an ihrer Seite und das gibt enorm viel Selbstsicherheit und Bestärkung! Neben Mentorinnenprogrammen sind Netzwerke für Politikerinnen natürlich auch unverzichtbar: Hier können sie sich austauschen und gegenseitig bestärken. Im Kreis Pinneberg praktiziert das Kommunalpolitische Frauennetzwerk (KOPF-AG) einen fraktionsübergreifenden Austausch zwischen Politikerinnen! (Interessierte wenden sich bitte an:  t.frahm(at)kreis-pinneberg.de) Interessanterweise nutzen Frauen und Männer diese Netzwerke aber auch auf unterschiedliche Art und Weise. Die Expertin fasst dazu aktuelle Studienergebnisse zusammen. Demnach würden sich Männer in ihren Netzwerken eher „strategisch“ verhalten und sich Verbündete suchen, die ihnen bei ihrem Aufstieg behilflich sein könnten. Frauen hingegen würden sich beim Netzwerken zu freundschaftlich verhalten und die persönlichen Bindungen über den strategischen Aufstieg stellen. Das klingt einleuchtend, schließlich werden Jungs immer noch eher zum Wettkampf erzogen und Mädchen zur Empathie und zum Liebsein. An dieser Stelle stellt sich aber für mich die Frage: Wollen und müssen wir uns den kompetitiven Strukturen der Männer anpassen und die Ellenbogen ausfahren? Um kurzfristig erfolgreich zu sein, mag das sinnvoll sein, aber durch eine schlichte Übernahme von typisch männlichen Verhaltensweisen wird sich langfristig im Bereich der Politik wenig zum Positiven für Frauen verändern.  

Leitlinien können Abhilfe schaffen

Dass natürlich männliche Politiker in erster Linie ihr Verhalten ändern sollten, wird auch bei dem Thema „männliches Redeverhalten“ deutlich. Sie lassen Frauen nicht ausreden, wiederholen das schon Gesagte, geben die Ideen von Frauen für ihre eigenen aus und nehmen sich grundsätzlich enorm viel Raum. Dies führt auch dazu, dass die Sitzungen teilweise so lange dauern!  Daher ist es hilfreich, verbindliche Leitlinien zum Redeverhalten und der Sitzungskultur zu vereinbaren. (Dieses gilt übrigens für alle Räume, in denen Männer und Frauen miteinander diskutieren möchten!). So kann verhindert werden, dass Frauen niedergemacht oder auch persönlich angegriffen werden. Anhand der Leitlinie kann in so einem Fall eine Mahnung oder Rüge ausgesprochen werden. Selbiges gilt für Leitlinien gegen Sexismus oder Belästigung.

Leider belegen auch hier Studien, dass weibliche Politikerinnen häufiger Beleidigungen und Bedrohungen (76 Prozent) oder sexuelle Belästigung (13 Prozent) im Amt erfahren. Sexistische Strukturen wirken eben auch in der Politik fort. Auch deshalb sollten Kommunen und Städte unabhängige Beschwerdestellen einrichten, damit Frauen sich gegen Belästigungen und Beleidigungen wehren können. In solchen Fällen kann auch das neu eingerichtete Informations- und Beratungsportal starkimamt.de eine Orientierung bieten. Da Politiker*innen in den letzten Jahren insgesamt mehr Gewalt und Hass erfahren, richtet sich das Portal an alle Geschlechter. Der fraktionsübergreifende Austausch der Politikerinnen beim Frauenempfang war sehr wichtig – Sie haben erfahren, dass viele von ihnen mit ähnlichen Benachteiligungen zu kämpfen haben. Die konkreten Handlungsbeispiele, die von der Tannaz Falaknaz erläutert wurden, haben gezeigt, dass reine Apelle langfristig aber nicht reichen.  Neue Strukturen und Instrumente wie das Mentorinnenprogramm oder Leitlinien können die Situation von Frauen in der Politik verbessern und das Amt auch für jüngere Frauen attraktiver machen. Diese gilt es zu unterstützen und zu motivieren. Wie eine Teilnehmerin in Anlehnung an Hedwig Dohm sagte: „Mehr Mut, Ihr Frauen“!

Weitere Literatur: Publikationen und Studien des Helene-Weber-Kollegs findest du hier.

Ein Beitrag von Nina Timmermann, Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Rellingen