„Es war schwierig Perspektiven zu entwickeln“ – Das Spendeninterview mit zwei Frauenhäusern

Ab August jeden Jahres bitten die Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Pinneberg um Spenden für die Unterstützungsangebote und Anlaufstellen im Kreis, die es für gewaltbetroffene Frauen gibt. Heute sprechen wir mit Vertreterinnen der Frauenhäuser, über die Situation im vergangenen Jahr und über den Einsatz der Spendengelder.

Wie gestaltet sich aktuell das Leben im Frauenhaus? Wie hat es sich seit März 2020 geändert?

Frauenhaus Pinneberg: In unserem Frauenhaus haben wir 5 Schlafzimmer für bis zu 15 Personen, Frauen und Kinder. Bei uns ist es üblich mehrere einzelne Frauen oder auch manchmal eine Frau mit Kindern mit einer anderen Partei in einem Zimmer unterzubringen. Wir haben in 2020 während des Lockdowns im Frühjahr und Herbst / Winter die Zimmer nur noch an eine Frau bzw. eine Familie vergeben, damit sie sich besser vor dem Virus schützen können. Während hoher Inzidenzen haben wir keine Gruppenangebote anbieten können. Persönliche Gesprächs- und Therapieangebote konnten aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht genutzt werden. Wir haben für die Frauen jeweils individuelle, adäquate Einzellösungen gefunden.

Frauenhaus Wedel: Das Leben im Frauenhaus Wedel war ähnlich wie im Frauenhaus Pinneberg. Die 15 Plätze bei uns teilen sich auf vier Zimmer mit insgesamt drei Badezimmer auf, die von den Bewohnerinnen, deren Kindern und den Mitarbeiterinnen genutzt werden. Auch wir haben mit dem Lockdown im März 2020 angefangen die Zimmer nicht mehr mit mehreren Familien oder mehreren Frauen zu belegen, um die Bewohnerinnen, die Kinder und uns Mitarbeiterinnen besser schützen zu können – und um im Fall von Quarantäne überhaupt eine Möglichkeit zu haben einzelne Familien oder Frauen isolieren zu können. Dies haben wir bis heute so beibehalten. Schon vor der Pandemie hatten wir mit der Planung des Umbaus vom Frauenhaus begonnen, damit wir mehr Zimmer und Bäder haben, um flexibler belegen zu können und den Frauen und Kindern mehr Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Nun fiel der Umbau und der daraus resultierende Umzug in eine Übergangsunterkunft mitten in die Pandemie – Bislang war es also eine durch und durch herausfordernde Zeit.

Im Kreis Pinneberg gibt es drei Frauenhäuser. Digital erreichst du sie unter folgenden Adressen: www.frauenhaus-wedel.de, www.frauenhaus-pinneberg.de, www.frauenhaus-elmshorn.de. Zusätzlich kannst du unter www.frauenhaus-suche.de deutschlandweit Frauenhäuser und Schutzwohnungen suchen.

Welche konkreten Auswirkungen hatte die Pandemie für die Frauen (und Kinder) im Frauenhaus? Welche Herausforderungen gab es für sie?

Frauenhaus Pinneberg: Die Hygienemaßnahmen im Frauenhaus beinhalteten, dass die Mitarbeiterinnen sich mit der Anwesenheit im Haus abwechselten. Beratungen wurden auf Distanz bei offenem Fenster und mit Maske durchgeführt. Das menschliche Miteinander ist stark eingeschränkt worden. Die Angebote für die Mädchen und Jungen waren sehr begrenzt. Die bisher üblichen Behördengänge haben sich für die Bewohnerinnen verändert: Die meisten Anträge wurden digital gestellt. Das Jobcenter hat beispielsweise angefangen Telefontermine zu vergeben. Diese Praxis erspart natürlich zeitaufwendige Wege, doch etliche Bewohnerinnen sind bei diesem Vorgehen auf zusätzliche Hilfe angewiesen, weil sie über wenig digitale Kenntnisse verfügen oder wenig deutsche Sprachkenntnisse haben. Das könnte sich als zusätzliches Problem erweisen, wenn Frauen in den eigenen Wohnraum ziehen. Allerdings hat sich durch die Pandemie die Wohnraumsuche noch zusätzlich zum sowieso schon angespannten Wohnungsmarkt erschwert.

Frauenhaus Wedel: Wie meine Kollegin beschreibt, waren alle Einrichtungen sowie Behörden, Schulen und Kitas zeitweise geschlossen oder entsprechend auf Homeschooling und Notbetreuung umgestellt. Dementsprechend waren die Frauen und Kinder viel mehr im Frauenhaus präsent. Gleichzeitig haben wir aber auch unsere Gruppenangebote wie z.B. unser gemeinsames Frühstück oder das Kreativangebot reduziert oder ausgesetzt. Die Beratungen fanden und finden mit Maske, Abstand und Lüften statt. Dolmetscherinnen wurden nur noch telefonisch hinzugeschaltet und viel Kommunikation mit Außen fand nur noch schriftlich oder telefonisch statt. Das war und ist für einige Bewohnerinnen eine sehr große Herausforderung und bringt zusätzlichen Unterstützungsbedarf mit sich. Auch war es für viele Frauen sehr schwierig Perspektiven zu entwickeln, da Sprachschulen geschlossen, Wohnungssuche erschwert, sowie soziale Einrichtungen und deren Angebote bei denen neue persönliche Kontakte geschlossen werden konnten zu hatten. Viele Frauen fühlten sich dadurch noch isolierter, belastet und perspektivlos.
Herausfordernd war für uns Mitarbeiterinnen die Organisation von Homeschooling unserer eigenen Kinder. Dies war nur durch die gegenseitige Unterstützung im Mitarbeiterinnenteam möglich. Gleichzeitig mussten wir immer wieder neue Arbeitsmodelle und Notfallpläne entwickeln, die auf das jeweilige Infektionsgeschehen und eventuelle Quarantänefälle abgestimmt waren, so dass im Notfall die Versorgung der Bewohnerinnen und deren Kinder in einem Quarantänefall sichergestellt war.

Die Spendenaktion für traumatisierte Frauen hat 2020 insgesamt am Ende phänomenale 5477 € erbracht (siehe Spendenflyer). Dieses Geld wird an die drei Frauenhäuser (in Elmshorn, Pinneberg und Wedel) und zwei Frauenberatungsstelle (in Elmshorn und Pinneberg) verteilt. Wir haben auch ein Interview mit den Frauenberatungsstellen geführt. Das kannst du hier gerne lesen.

Wie konnten die Spendengelder von 2020 eingesetzt werden?

Frauenhaus Pinneberg: Normalerweise besuchen unsere Frauen, die weniger gut Deutsch sprechen, ein Angebot in Hamburg. 2020/2021 mussten wir anders planen, weshalb z.B. ein Teil der Spendengelder für Übersetzungsarbeit und Begleitung traumatisierter Frauen verwendet wurden.

Frauenhaus Wedel: Leider sind aufgrund der Corona-Pandemie viele therapeutische Angebote wie z. B. unser therapeutisches Reitangebot für traumatisierte Frauen und Kinder eingestellt worden. Mit der Lockerung der Maßnahmen wollen wir dieses Angebot wieder etablieren, wenn wir genügend Spendengelder einwerben können. Außerdem haben wir, ähnlich wie das Frauenhaus Pinneberg, einen großen Teil der Spenden für Reisekosten zu den Kliniken und Therapieangeboten in Hamburg für die Bewohnerinnen und deren Kinder verwenden können.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Auch in diesem Jahr organisieren die Gleichstellungsbeauftragten wieder eine Spendenaktion für die Frauenfachberatungsstellen und Frauenhäuser im Kreis. Mit den Spendengeldern sollen Traumatherapie-Angebote sowie unterstützende und stabilisierende Angebote für belastete Frauen finanziert werden. In diesem Bereich besteht ein extremes Unterangebot, so dass durch deine Spende eine erste Unterstützung finanziert werden kann.

  • Mit 60 Euro übernimmst du eine Therapiestunde für eine Betroffene
  • und mit bereits 10,60 Euro ermöglichst du die Übernahme von Fahrtkosten im HVV (9-Uhr Tageskarte, drei Ringe). In Hamburg gibt es ein spezielles Angebot für Migrantinnen, weshalb einige auch dorthin gehen müssen.

Um Spenden bis zum 30. September wird gebeten, sofern sie im Flyer zur Aktionswoche „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ veröffentlicht werden sollen. Die Gesamtsumme wird am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, bekannt gegeben.

Spenden kannst du über:
Gemeinde Halstenbek
Sparkasse Südholstein
IBAN: DE96 2305 1030 0002 1015 17
BIC: NOLADE21SHO
Zahlungszweck: AO 6437 „Brötchentüte“
Wir bedanken uns ganz herzlich bei dir für die Unterstützung!

Ein Beitrag von Celia Letzgus, Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Halstenbek