Von Shitstorms und anderen Stürmen

Die Frauenberatungsstellen in Pinneberg und Elmshorn begleiten Frauen durch unterschiedlichste stürmische Zeiten. Seit jüngerer Zeit werden die Situationen zudem begleitet von einer sich digitalisierenden Gesellschaft – Was das genau für die Beratungspraxis bedeutet, wollen wir herausfinden. 

Liebe Frau Pfingst, liebe Frau Zannoni, wie hat sich die Beratung aufgrund der zunehmenden Digitalisierung für Sie geändert?

Stefanie Pfingst: Ja, alles digitalisiert sich mehr und mehr. Das wirkt sich auch auf unsere Beziehungen aus, bzw. auf Beziehungsprobleme, denn mit denen haben wir es ja dann vorwiegend zu tun. Wenn Frauen kommen, weil sie Stress in der Beziehung haben, achten wir immer auch auf Anzeichen, die auf Grenzüberschreitungen hinweisen. Eine ‚moderne‘ Form von Beziehungsgewalt nennen wir digitale Gewalt. Das heißt, es findet Grenzüberschreitung im digitalen Raum statt, indem z.B. das Mobiltelefon der Partner*in überprüft wird (Mit wem hast du telefoniert/geschrieben/Fotos geteilt?, Wen ‚likest‘ du außer mir?). Oft wird das als Vertrauensbeweis gewertet, wenn Partner*innen sich gegenseitig zeigen, was in ihrem Smartphone steckt. Aber leider wird oft irgendwann eine unsichtbare Linie des Respekts überschritten. Wenn der Zugang zum Handy dann zur Bedingung gemacht wird, fängt es spätestens an schwierig zu werden.

Pia Zannoni: Durch die Digitalisierung ist noch ein weiterer Raum hinzugekommen, in dem Gewalt stattfinden kann. Ein sehr weiter Raum, durch den neue Formen von Gewalt entstanden und dazugekommen sind, die analog bisher in solchem Ausmaß nicht möglich waren.

Die Frauenberatungsstellen sind für dich in unterschiedlichen Situationen da, wie z. B. bei Beziehungsprobleme, Trennung und Scheidung, persönliche Lebenskrisen und auch bei Stalking und häusliche Gewalt. Im Internet findest du sie unter: https://www.frauenberatung-pinneberg.de/ und http://www.frauentreff-elmshorn.de/.

Sind dadurch neue Themen zu Ihnen gekommen?

Stefanie Pfingst: Eine massive Form von digitaler Gewalt ist das ‚tracking‘, dann wird heimlich auf dem Smartphone eine App installiert, mit der jemand den Aufenthaltsort überwachen kann. Manche solcher Apps ermöglichen auch das Mitlesen von Nachrichten oder Mithören von Telefonaten. Da wird es dann schon richtig gruselig.

Auch Erpressung nach Beendigung einer Partnerschaft mit intimen Fotos wird heutzutage auf digitalem Weg begangen. Dadurch geht alles sehr schnell und unkompliziert – es muss ja niemand erst zum Fotogeschäft um Fotos abzuziehen, um sie dann in der Schule oder Uni zu verbreiten – all das geht sekundenschnell über das WWW. Und ist es nicht möglich, mal eben die Negative der Fotos zu vernichten. In unserer medialen Welt haben Täter vielfache Möglichkeiten, DOCH NOCH irgendwo anders die Bilder gespeichert zu haben. Dem Versprechen: „Ich lösche die Fotos“ ist nicht ohne weiteres zu trauen. Unsere Empfehlung ist deshalb: Aufgepasst, wem ihr welche Fotos zugänglich macht!

Pia Zannoni: Ohja, durch die Digitalisierung sind eine Vielzahl neuer Themen auf uns zugekommen. Sexting, Cybergrooming oder Identitätsdiebstahl sind nur ein paar der neuen Themenfelder.

Sexting schließt ein wenig an Stefanie‘s Beitrag an. Es bedeutet, dass du jemandem zum Beispiel Nacktfotos oder Bilder sexueller Art geschickt hast. Leider hast du hier keine Kontrolle, an wen und über welche Wege die Bilder verbreitet werden, auch wenn der Empfänger noch so sehr beteuert, dass er*sie die Bilder niemals weitergeben wird, kannst du es nie mit Sicherheit wissen.

Cybergrooming hingegen ist eine hinterhältige Art, Kontakte für den sexuellen Missbrauch zu knüpfen. Du siehst ja nicht, mit wem du schreibst und du kannst dir nie sicher sein, dass es tatsächlich die Person auf den Bildern ist. Deshalb möchte ich dir raten, vorsichtig zu sein, mit wem du dich „im echten Leben“ triffst. Der Täter kennt dich, du ihn aber nicht. Cybergrooming funktioniert nämlich so, dass zuerst dein Vertrauen gewonnen wird und wenn ihr euch dann trefft, kommt es zu sexuellen Übergriffen.

Auch Identitätsdiebstahl ist eine häufige Form digitaler Gewalt. Jemand legt hier in deinem Namen zum Beispiel ein Profil in einem sozialen Netzwerk an und schreibt, teilt und lädt Sachen hoch, die letztendlich dich in einem schlechten Licht dastehen lassen, weil es in deinem Namen und mit deinem Gesicht als Profilbild geteilt wurde. Hier ist wichtig, solche Faceprofile sofort zu melden, um sie so schnell wie möglich sperren zu lassen.

Was ratet Sie Frauen in solchen Situationen?

Stefanie Pfingst: Vorsorglich möchte ich allen Menschen raten, mit Ihren Daten vorsichtig umzugehen. Überlegt Euch gut, WAS Ihr mit WEM teilen wollt und auch, wem ihr eure Telefonnummer/Emailadresse gebt.

Und, falls schon etwas schief gegangen ist, egal, welche Form von Gewalt erlebt wird: bleibt damit nicht allein! Es ist enorm wichtig, sich – möglichst professionelle –  Unterstützung zu holen, damit sich das Gefühl des „Ausgeliefertseins“ nicht in Eurer Lebenswirklichkeit etabliert. Wer losgeht und sich Hilfe holt kann nur gewinnen, das ist der erste Schritt, sich das nicht gefallen zu lassen.

Pia Zannoni: Ich kann da nur zustimmen und möchte noch ergänzen, dass du nicht schuld bist! Häufig suchen Opfer die Schuld bei sich und scheuen sich durch die Gefühle von Schuld und Scham Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hierbei ist es wichtig anzuerkennen, dass es nicht deine Schuld ist und du dir Hilfe suchen darfst! Du bist nicht allein und musst damit nicht alleine fertig werden.

Stefanie Pfingst der Frauenberatung Pinneberg hat auch zwei lesenswerte Interviews hierzu gegeben:  https://mobilsicher.de/ratgeber/partnerschaftsgewalt-das-handy-als-spion und https://mobilsicher.de/ratgeber/beziehung-gewalt-interview

Ein Beitrag von Eline Joosten, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Uetersen