Am 29. Februar ist Equal Care Day… Doch was bedeutet das überhaupt?
Wir haben mit Pia Zannoni aus der Frauen*beratungsstelle Elmshorn darüber gesprochen, warum es den Equal Care Day geben muss und was sich hinter den Zahlen verbirgt.
Liebe Frau Zannoni, können Sie uns erklären, was der Equal-Care-Day bedeutet und wozu er da ist?
Care Arbeit ist Pflege- bzw. Sorgearbeit. Das kann zum Beispiel sein, sich um Kinder oder kranke Angehörige zu kümmern, Kochen, Putzen und Mental Load (alles, woran mensch denken muss, Termine usw.).
Der Equal Care Day soll Aufmerksamkeit für die mangelnde Wertschätzung und die ungleiche Verteilung von Care Arbeit schaffen, da sie in unserer Gesellschaft und in dem aktuellen Wirtschaftssystem, in dem wir leben, schlecht bis gar nicht honoriert wird. Aus diesem Grund fällt er terminlich auf den 29.2., den es, wie dieses Jahr auch, häufig gar nicht gibt. Symbolisch soll er durch dieses Datum auf die Unsichtbarkeit von Care Arbeit aufmerksam machen. Tatsächlich stattfinden wird er am 1.3.
Ein weiterer Grund, weshalb der Equal Care Day auf den 29.2. fällt ist, dass Schaltjahre alle 4 Jahre stattfinden – Männer brauchen 4x so lange, um auf den gleichen Umfang von Care Arbeit zu kommen wie Frauen. Das bedeutet, um auf den Umfang von Care Arbeit zu kommen, die Frauen in einem Jahr leisten, brauchen Männer 4 Jahre.
Die Forderungen des Equal Care Days sind: professionelle Pflegearbeit, gerechtere Verteilung von privater Care Arbeit und der Abbau struktureller Diskriminierung.
Warum betrifft die Care-Arbeit mehr die Frauen in unserer Gesellschaft?
Weil Frauen 4x mehr Care Arbeit leisten als Männer, sind sie natürlich auch mehr von den Folgen der Care Arbeit betroffen, woraus folgt, dass der bestehende Care Gap die Hauptursache für den Gender Pay Gap ist, der aktuell 18% beträgt. Das bedeutet, Männer verdienen im Schnitt 18% mehr als Frauen. In sogenannten „Frauenberufen“ (Berufe, die üblicherweise von Frauen ausgeübt werden, wozu unter anderem auch pflegende Berufe zählen)ist der Pay Gap sogar noch höher: 27%.
Der Gender Pay Gap führt außerdem dazu, dass Frauen in Zeiten der Pandemie häufiger zu Hause bleiben und damit abermals die Care Arbeit übernehmen, da Männer mehr verdienen und die jeweilige Familie häufig auf das höhere Gehalt des Mannes angewiesen ist.
Noch dazu besteht eine systematische Schieflage: Frauen wird oft zur Last gelegt, dass Care Arbeit in ihrer Natur sei. Empathie, Fürsorge und Liebe würde Mädchen bereits in die Wiege gelegt. Hier werden das strukturelle Problem und die strukturelle Diskriminierung in der gesellschaftlichen Erwartungshaltung, die an Mädchen bzw. Frauen und an Jungen bzw. Männer gestellt wird sehr deutlich.
Die aktuelle Studienlage zeigt außerdem auf, dass ein großer Stressfaktor der Care Arbeit bei Frauen Mental Load darstellt. 58% der Frauen gaben vor der Pandemie an, hierdurch überfordert zu sein, 88% fühlten sich gestresst. Während der Pandemie hat der Stress durch Mental Load noch einmal deutlich zugenommen: 72% der befragten Frauen fühlten sich deutlich gestresster als vor der Pandemie.
Wie unterscheidet sich denn die Situation für Alleinerziehende?
Alleinerziehende sind von den Problemen, die Care Arbeit mit sich bringt, besonders stark betroffen und da deutlich mehr Frauen alleinerziehend sind (2020 waren 2.088.000 Frauen in Deutschland alleinerziehend, im Vergleich zu 435.000 alleinerziehenden Männern), bedeutet dies: häufig tragen sie den gesamten Mental Load alleine und die Gender Pay Gap trifft in hohem Maße auf sie zu. Sie sind viel stärker von Armut betroffen und haben ein viel höheres Erkrankungsrisiko, da sie höherem Stress ausgesetzt sind.
Auch hier leiden sie noch mehr unter den Folgen der Corona-Pandemie als Menschen, die in einer Partnerschaft leben. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat 2020 diesbezüglich eine Studie in Auftrag gegeben. Ergebnis war unter anderem, dass das Wohlbefinden aller befragten Familien mit Kindern im Vorschulalter während der Pandemie abnahm. Die Lebenszufriedenheit der Mütter ist im besonders hohem Maße zurückgegangen. Und auch die Axa Versicherung unternahm eine Befragung zur psychischen Belastung während der Ausgangsbeschränkungen. Ergebnis war, dass Frauen auch hier stärker unter ihren Folgen litten. Da wie oben erwähnt, Frauen häufiger alleinerziehend sind, kann davon ausgegangen werden, dass ihre psychische Belastung vor allem zu Zeiten der Pandemie extrem hoch ist.
Wo könnten ich mir denn Hilfe suchen und Hilfe finden, wenn ich mit der Care-Arbeit überlastet bin?
Falls Sie unter den Folgen von Care Arbeit leiden, können Sie sich gerne an unsere Beratungsstelle wenden: Die Frauen*beratung Elmshorn. Gemeinsam versuchen wir dann in einem oder mehreren Beratungsgesprächen Lösungen für Sie zu finden. Unsere Beratungen sind kostenfrei und auf Wunsch auch anonym. Beratungen können persönlich stattfinden, aber auch online, per Mail, telefonisch oder per Zoom.
Liebe Frau Zannoni, herzlichen Dank für das Interview!
Hier findet ihr die Frauen*beratung im Netz.
Melden könnt ihr euch auch unter info@frauenberatung-elmshorn.de oder unter 04121 66 28
Weitere Informationen findet hier:
https://m.bpb.de/apuz/care-arbeit-2020/317845/retraditionalisierung-care-arbeit-und-geschlechterverhaeltnisse-in-der-corona-krise
https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-Verdienstunterschiede/_inhalt.html
https://www.instagram.com/p/CZFKWw6spCY/?utm_medium=copy_link
https://www.echtemamas.de/mental-load-hilfe/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/318160/umfrage/alleinerziehende-in-deutschland-nach-geschlecht/
Ein Beitrag von Tinka Frahm, Gleichstellungsbeauftragte Kreis Pinneberg.