Spenden für traumatisierte Frauen – Ein Interview mit den Frauenberatungsstellen

Ab August jeden Jahres bitten die Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Pinneberg um Spenden für die Unterstützungsangebote und Anlaufstellen im Kreis, die es für gewaltbetroffene Frauen gibt. Die Spendenaktion für traumatisierte Frauen hat 2020 insgesamt am Ende phänomenale 5477 € erbracht (siehe Spendenflyer). Dieses Geld wird an die drei Frauenhäuser (in Elmshorn, Pinneberg und Wedel) und zwei Frauenberatungsstelle (in Elmshorn und Pinneberg) verteilt. Um einen Einblick zu bekommen, was mit dem Geld passiert, haben wir die Frauenberatungsstellen gefragt:

Liebe Frau Heyenn, liebe Frau Eibner, wie hat sich die Pandemie auf Ihre Arbeit in den Frauenberatungsstellen ausgewirkt?

Regine Heyenn: Das letzte Jahr hat uns alle vor besondere Herausforderungen gestellt. Die Pandemie war und ist eine Belastungsprobe. Besonders schwierig gestaltete sich die Situation für die Frauen, die unter Ängsten, Trauma und anderen Belastungsstörungen leiden. Zur Stabilisierung braucht es vor allem Kontakt und Beziehung. Beides war im letzten Jahr nicht so einfach, denn der gebotene Abstand hat auch viele geplante Veranstaltungen in der Frauenberatung zum Erliegen gebracht. Auch wenn wir durchgehend beraten haben und vieles am Telefon oder per Video abdecken konnten, den persönlichen Kontakt konnten diese Beratungsformen nicht ersetzen.

Anja Eibner: Die Corona-Pandemie erscheint uns wie eine Lupe. Für diejenigen, die sich bereits vorher in Problemlagen befanden, haben die Bedingungen die Krisen verstärkt. Durch Kurzarbeit, Jobverlust oder Home-Office, Home-Schooling und das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens ist die Belastung gerade für Frauen* größer geworden. Das Unterstützungssystem, in dem sich viele Frauen*, die in unsere Beratungsstelle kommen, Hilfe geholt hatten, war in Teilen nicht mehr zugänglich. Einsamkeit auf der einen und Überforderung auf der anderen Seite führte vermehrt zu psychischer Belastung und Erkrankungen. Wir, das Team der Frauen*beratungsstelle Elmshorn, haben über neue Finanzierungsmöglichkeiten und Fortbildungen unser Know-How und unser digitales Equipment erweitert, so dass wir jetzt in der Lage sind auch auf Frauen* zuzugehen, die uns nicht persönlich aufsuchen können oder möchten. Eine positive und längst überfällige Entwicklung, die ohne die Pandemie mit den üblichen Mitteln nicht zu stemmen gewesen wäre.

Die Frauenberatungsstellen sind auch für dich in unterschiedlichen Situationen da, wie z. B. bei Beziehungsprobleme, Trennung und Scheidung, persönliche Lebenskrisen und auch bei Stalking und häusliche Gewalt. Im Internet findest du sie unter: https://www.frauenberatung-pinneberg.de/ und https://www.frauenberatung-elmshorn.de/.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie durch die Pandemie und wie gehen Sie damit um?

Regine Heyenn: Da es nicht absehbar war bzw. ist, wie es mit der Pandemie weitergeht, war eine ständige Frage, ab wann wir die stabilisierenden Gruppenangeboten wieder vor Ort stattfinden lassen können. Aus diesem Grund haben wir Online-Angebote entwickelt, die wir für die Frauen zur Verfügung stellen. Da aber gerade für traumatisierte Frauen der unmittelbare Kontakt oftmals besonders wichtig ist, erreichen wir diese Frauen zurzeit mit unseren Veranstaltungsangeboten nur bedingt.
2020 hatten wir zweimal einen Kurs zum Thema „Keine Angst vor der Angst“ gestartet, der von unseren Frauen gut nachgefragt wurde, aber leider beide Male pandemiebedingt abgebrochen werden musste. Um die Frauen in dieser Situation nicht allein zu lassen, haben wir zeitnah auf diese Situation reagiert und wie bereits oben beschrieben vermehrt zusätzliche Beratungstermine per Telefon, per Video oder bei einem Spaziergang im Pinneberger Stadtwald angeboten. Durch diese Interventionsangebote konnten viele Frauen aufgefangen, stabilisiert und gestärkt werden. Sie konnten die Frauenberatung weiterhin als verlässlichen Ort der Anbindung erleben, auch wenn über längere Zeit keine therapeutischen Gruppenangebote vor Ort stattfinden konnten.

Anja Eibner: Wir denken, dass die größte Herausforderung für alle sein wird, die angestoßenen öffentlichen Diskussionen zu den Themen Häusliche Gewalt, Diskriminierung, Care-Arbeit und systemrelevante Lohnarbeit etc., nicht mit dem Virus untergehen zu lassen. Denn diese sichtbarer gewordenen Problemlagen und deren Auswirkungen, die leider immer noch in einer hohen Prozentzahl zu Lasten von Frauen* gehen, sind nicht durch das Virus entstanden, sondern durch den politischen Umgang damit. In der Frauen*beratungsstelle stehen wir vor der Herausforderung unsere Gruppenangebote unter Berücksichtigung der Pandemielage wieder anlaufen zu lassen. In der Einzelberatung sind wir vielseitiger, und durch die Digitalisierung ist unsere Beratung niedrigschwelliger geworden. Wir bieten neben der persönlichen Beratung in unseren Räumen Telefonberatung, Online- und auch Video-Beratung an oder wir treffen uns zu „Geh – sprächen“ in der Umgebung.

Wie wird es nach der Pandemie aussehen? Wo werden Sie die Spendengelder einsetzen?

Regine Heyenn: Wir freuen uns sehr darauf, die Frauen hier wieder live und vor Ort treffen zu können. Die Frauenberatung soll schließlich ein Ort für lebendige Begegnungen sein. Für das zweite Halbjahr 2021 sind wieder Gruppenveranstaltungen geplant und wir sind zuversichtlich, jetzt endlich auch das gut nachgefragte Gruppenangebot zum Umgang mit Ängsten anbieten und durchführen zu können. Geplant ist auch ein Wen Do Angebot zur Selbststärkung und Selbstverteidigung für Frauen. Parallel zu den Gruppenangeboten sind wir dabei einen Therapiefonds einzurichten, mit dem wir Frauen hier vor Ort, durch eine Trauma-Therapeutin, schnell und unkompliziert ein kleines Paket an Einzelsitzungen zukommen lassen möchten. So können Wartezeiten verkürzt und Krisen stabilisierend begleitet werden.

Anja Eibner: Wir sind sehr dankbar für die Spendengelder und nutzen diese hauptsächlich für unseren langjährigen Therapiefond. Mit diesem Fond unterstützen wir Frauen* mit traumatherapeutischen Einzelangeboten zur Überbrückung der mitunter recht langen Wartezeiten auf eine Psychotherapie, die im Allgemeinen von den Krankenkassen oder z. B. dem „Fond sexueller Missbrauch“ bewilligt werden. Wenn wir nach der Pandemie wieder loslegen „dürfen“, kündigen wir unsere Gruppenangebote auf unserer Homepage (www.frauenberatung-elmshorn.de), unseren Flyern und auf Instagram (@frauenberatung-elmshorn) an. Wir hoffen, dass es nach den Sommerferien wieder möglich sein wird und freuen uns schon darauf.

Vielen Dank für das Interview!

Auch in diesem Jahr werden die Gleichstellungsbeauftragten ab August wieder eine Spendenaktion für die Frauenfachberatungsstellen und Frauenhäuser im Kreis organisieren. Mit den Spendengeldern sollen Traumatherapie-Angebote sowie unterstützende und stabilisierende Angebote für belastete Frauen finanziert werden. In diesem Bereich besteht ein extremes Unterangebot, so dass durch deine Spende eine erste Unterstützung finanziert werden kann.

  • Mit 60 Euro übernimmst du eine Therapiestunde für eine Betroffene
  • und mit bereits 10,60 Euro ermöglichst du die Übernahme von Fahrtkosten im HVV (9-Uhr Tageskarte, drei Ringe). In Hamburg gibt es ein spezielles Angebot für Migrantinnen, weshalb einige auch dorthin gehen müssen.

Die Spendensumme wird am 25. November zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen bekannt gegeben.

Spenden kannst du über:
Gemeinde Halstenbek
Sparkasse Südholstein
IBAN: DE96 2305 1030 0002 1015 17
BIC: NOLADE21SHO
Zahlungszweck: AO 6437 „Brötchentüte“
Wir bedanken uns ganz herzlich bei dir für die Unterstützung!

Ein Beitrag von Celia Letzgus, Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Halstenbek