Steuern, Ehegattensplitting und eine auskömmliche Altersvorsorge -alles Themen, die erstmal nicht besonders spannend klingen… Warum es aber total Sinn macht, sich damit zu beschäftigen, das verrät uns S. Weber. Sie ist Steuerfachwirtin und wagt einen feministischen Blick auf unsere Steuermodelle.
Liebe Frau Weber,
Sie sind von Beruf Steuerfachwirtin und arbeiten für einen Steuerberater in Hamburg.
Können Sie uns kurz zusammenfassen, was Ihre Aufgaben sind und wie Ihr Arbeitsalltag aussieht?
Ich betreue hauptsächlich kleine bis mittelständische Betriebe. Ich erstelle deren Buchhaltung, mache zum Teil auch die Gehaltsabrechnungen und erstelle die Jahresabschlüsse/Bilanzen mit den dazugehörigen Steuererklärungen der Firmen. In diesem Zuge werden natürlich auch gleich die Einkommenssteuererklärungen der Geschäftsinhaber*innen angefertigt.
Oft ist die Rede davon, dass die Aufteilung der Steuerklassen – das sogenannte Ehegattensplitting – dazu führt, dass Frauen gerade im Alter ärmer sind als Männer.
Können Sie uns erklären, was es mit dem Ehegattensplitting auf sich hat und welches die Folgen sein können?
Ja, das mache ich gerne – es ist aber an einigen Stellen etwas figelinsch.
Beim Ehegattensplitting werden die Einkünfte von beiden Ehepartnern zusammengerechnet, danach durch zwei geteilt und dann wird in der Lohnsteuertabelle geschaut, mit welchem Prozentsatz das Einkommen versteuert wird. Eheleute zahlen also weniger Steuern als wenn sie nicht verheiratet wären. Der Grundgedanke hierbei ist, die Ehe zu fördern und Familien finanziell zu unterstützen.
Beim Ehegattensplitting entstehen negative Effekte, wenn der eine deutlich mehr verdient als der andere. In Deutschland ist dies in den meisten Fällen der Mann. Das Ehegattensplitting macht Frauen demnach nicht direkt ärmer als Männer, es setzt aber starke Impulse für die Frau zuhause zu bleiben, anstatt eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben. Die Folge ist, dass die betroffenen Frauen nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und im Rentenalter von dem Einkommen des Mannes abhängig sind. Viel zu viele Frauen laufen dadurch z.B. im Falle einer Scheidung Gefahr, in die Altersarmut abzurutschen. Man könnte hier natürlich argumentieren, dass das Ehegattensplitting auch gleichgeschlechtlichen Ehen zusteht. Das macht in diesem Fall aber wenig Sinn, weil es hauptsächlich die Konstellation Mann+Frau (+Kind) betrifft.
Aber wie genau bringt das denn so viele Frauen dazu, weniger zu arbeiten? Können Sie ein Beispiel nennen?
Ich probiere es, aber wie gesagt: Es wird figelinsch. Für verheiratete Paare gibt es die Steuerklassen 3 und 5 und diese Aufteilung führt in meinen Augen (und in meiner praktischen Erfahrung) oft dazu, dass die Frau weniger arbeitet und dadurch später eine geringere Rente erhält. Bevor Kinder in eine Familie kommen, haben viele Ehepaare die Steuerklasse 4 (Steuerklasse 1 bei Alleinstehenden). Beide Eheleute zahlen gleich viel.
Bei Steuerklasse 3 hat man nur geringe Steuerabgaben und Steuerklasse 5 hat mit die höchsten Abgaben. Spätestens wenn die Frau im Arbeitsleben aussetzt, weil sie ein Kind bekommt, nimmt der Mann in dieser Zeit die Steuerklasse 3. Das ist nur logisch, denn damit hat die Familie mehr Geld zur Verfügung. Das Problem fängt dann an, wenn die Steuerklassen in dieser Konstellation für eine lange Zeit so bleiben. Viele Frauen steigen ja nicht in Vollzeit, sondern in Teilzeit wieder ein. Eine Angleichung der Steuerklassen macht da finanziell für den Moment wenig Sinn. Allerdings verdient die Frau so wesentlich weniger und zahlt auch über einen langen Zeitraum weniger in die Rentenkasse ein. Kritisch wird es, wenn die Frau gar nicht in eine sozialversicherungspflichte Beschäftigung zurückgeht, sondern z.B. einen Minijob aufnimmt. Denn durch die hohen Abgaben in der Steuerklasse 5 kann es passieren, dass bei einem Minijob mehr Geld übrig bleibt als bei einer Festanstellung. Dies würde nämlich bedeuten, dass die Frau nicht nur wenig, sondern gar nichts in die Rentenkasse einzahlt. Sie merken schon, bereits jetzt kommt es dazu, dass viele Frauen weniger verdienen und nicht für die Rente vorsorgen, da unser Steuersystem dieses Verhalten quasi belohnt. Es geht aber noch weiter. Wenn Frauen nach Jahren in Teilzeit oder im Minijob wieder anfangen wollen, in Vollzeit zu arbeiten, dann verdienen sie auch nicht automatisch das selbe wie andere Vollzeitkräfte. Es fehlt oft einfach an Berufserfahrung, Fortbildungen und ggf. Beförderungen. Auch hier kann also wieder weniger in die Rentenkasse eingezahlt werden.
Die Folgen davon sind bekannt: Frauen haben eine wesentlich geringere Rente als Männer.
Würde sich das Paar trennen, wäre das für die Frau ein extrem hohes Risiko, in der der Altersarmut zu landen.
Dieses Beispiel ist konstruiert und natürlich weiß ich, dass sich dieses Vorgehen für die Familien erstmal finanziell lohnt und es nach einem guten Deal aussieht. In der Praxis erlebe ich jedoch häufig, dass die Frau, wenn sie einen Minijob nach der Elternzeit angenommen hat, bei diesem bleibt und dadurch finanziell komplett von dem Einkommen und später von der Rente ihres Mannes abhängig ist. Dieses Szenario wäre nicht so stark ausgeprägt, wenn das Ehegattensplitting keinen so starken (finanziellen) Anreiz bieten würde, für längere Zeit zuhause zu bleiben.
Wäre es denn theoretisch möglich, das Steuerrecht gerechter zu gestalten, und was müsste dann geändert werden?
Diese Frage zu beantworten könnte Tage dauern. Meiner Ansicht nach müsste man nicht nur das Ehegattensplitting in seiner jetzigen Form abschaffen, sondern viele Bereiche des Steuerrechts reformieren.
Ein guter Ansatz das Ehegattensplitting zu reformieren, ist das bereits eingeführte Faktorverfahren. Hier wird geschaut, wieviel die Eheleute insgesamt voraussichtlich im Jahr an Einkommensteuern zahlen müssen und dann die Steuer anteilig auf die jeweiligen Einkommen verteilt. Allerdings wurde diese Idee so überbürokratisiert und ist leider nicht oder nur sehr schwer umsetzbar.
Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass Steuervergünstigungen Menschen zustehen sollten, die Kinder großziehen. Ob und in welchen Konstellationen sie zusammenleben, sollte da keine Rolle spielen. Kinder kosten Geld und bringen finanzielle Einschnitte. Gleichzeitig brauchen wir Kinder, weil die nächste Generation ja unsere Rente bezahlen und den Wohlstand des Landes sichern muss. Warum also die Ehe steuerlich fördern, anstatt das Aufziehen von Kindern? Das ist für mich in der heutigen Zeit mit der Fülle von Familienmodellen ein völlig überholter Ansatz.
Was würden Sie denn den Familien raten, die diesen Beitrag lesen?
Das ist natürlich schwierig, da jede Lebenssituation sich unterscheidet. Ganz pauschal: Lasst euch nicht von den hohen Abzügen abschrecken wieder in Teilzeit zu arbeiten. Wenn beide Einkünfte zusammengerechnet werden, dann lohnt es sich wieder. Bei einem gemeinsamen Konto haben beide Elternteile was davon und wenn es getrennte Konten gibt, dann sollte der Mann, der Frau seinen Steuervorteil finanziell ausgleichen.
Liebe Frau Weber, ich bedanke mich für das Interview!
Einen Flyer zum Faktorverfahren findet ihr hier.
Weitere Informationen zum Thema Frauen und Arbeit bekommt ihr hier. Sucht ihr eine Beratungsstelle? Die Deutschen Rentenversicherung z.B. bietet kostenfreie Beratungen an.
Ein Beitrag von Tinka Frahm, Gleichstellungsbeauftragte Kreis Pinneberg.