Können Mädchen und Jungs wirklich alles werden?

Bei der Berufswahl geht es vordergründig um persönliche Interessen und Begabungen, im Hintergrund spielen aber auch die Vorstellungen von typischen Frauen- und Männerberufen eine wichtige Rolle. Wir haben mit Stefanie Lötzer, der Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Arbeitsagentur in Elmshorn anlässlich des Girls´ und Boys´ Days gesprochen.

Liebe Frau Lötzer, welche Berufe suchen sich Mädchen und Jungen aus?

Zu den beliebtesten Ausbildungsberufen für Mädchen zählen Kauffrau für Büromanagement, Medizinische Fachangestellte und Verkäuferin. Bei den Jungen sind die Ausbildungsberufe Kraftfahrzeugmechatroniker, Industriemechaniker und Fachinformatiker besonders gefragt. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass es Jungen häufiger in gewerbliche, handwerkliche und technische Berufe zieht und Mädchen eher zu Gesundheit, Soziales und Erziehung tendieren. Das Berufswahlspektrum ist dabei insbesondere bei den Mädchen stark eingeschränkt: knapp 75 % aller weiblichen Ausbildungsanfänger findet sich in nur 25 Berufen wieder. Bei den jungen Männern entfielen auf die 25 am häufigsten gewählten Berufe 61,7 % der männlichen Jugendlichen.

Warum ist der Anteil von Mädchen und Frauen in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) so gering?

MINT-Berufe eröffnen eine Vielzahl an beruflichen Perspektiven, hervorragende Karrierechancen und gute Verdienstmöglichkeiten. Die notwendigen technischen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben Mädchen und Frauen in ihrer schulischen Laufbahn und bringen in den MINT-Fächern sogar häufig bessere Noten mit als die Jungs. Warum ihr Anteil an diesen Berufen dennoch so gering ist, hat verschiedene Gründe. Einem technisch-mathematischen Interesse wird häufig weniger Beachtung geschenkt als einem sozialen oder sprachlichen. Dazu kommen unterschiedliche Sozialisation, kulturell bedingte Vorstellungen und der Einfluss von Familie, Lehrkräften und Peergroups. Auch das Image von „Männerberufen“ spielt eine Rolle, sowie fehlende Praxiserfahrung (in Schule und Freizeit) und nicht zuletzt die Sorge, Beruf und Familie nicht miteinander vereinbaren zu können. 

Wie ist das bei den Jungs?

Auch Jungen treffen ihre Berufswahl nicht immer klischeefrei. Allerdings haben sich die Rollenbilder in den letzten Jahren erheblich verändert. Traditionelle Männlichkeitsvorstellungen passen immer weniger zu modernen Familienmodellen und zu den Anforderungen des Arbeitsmarktes, der immer mehr soziale und kommunikative Kompetenz erwartet. Trotzdem gelten untypische Berufsfelder noch immer als „uncool“. Jungs brauchen deshalb genauso Bestärkung wie Mädchen bei den MINT-Berufen.

Wie unterstützt die Berufsberatung der Arbeitsagentur bei der Berufswahl?

Ich empfehle, möglichst frühzeitig die Berufsberatung in Anspruch zu nehmen, die hilft, sich bei der Vielfalt an Möglichkeiten zurecht zu finden. Wir bieten eine klischeefreie Beratung an, damit die Mädchen und Jungen sich bei der Berufswahl bestmöglich an ihren Neigungen und Stärken orientieren können. Unsere Beratung wird persönlich, telefonisch oder per Video durchgeführt. Außerdem haben wir eine Reihe an hilfreichen Informationen sowohl für junge Menschen als auch für Eltern, die online abrufbar sind. (Kontaktdaten und Links siehe Infobox unten).

Was können Eltern und Lehrkräfte tun?

Eltern und Lehrkräften kommt eine wichtige Rolle zu. Wichtig ist es, Mädchen für eine reflektierte Berufswahl zu stärken, die auch die eigenständige Existenzsicherung im Blick hat. Mädchen und Jungen sollen dabei unterstützt werden, ihre Talente jenseits von Rollenklischees kennenzulernen. Wichtig ist die Möglichkeit, möglichst viel Praxiserfahrung zum Beispiel durch viele und vielfältige Praktika oder Hospitationen zu sammeln. Sie erweitern das Berufswahlspektrum und wirken Informationsmangel und Orientierungslosigkeit entgegen. 

Vielen Dank für das Interview!

Kontaktdaten und hilfreiche Links:

Einen Termin zur Berufsberatung der Arbeitsagentur kann über das Kontaktformular oder unter 0800 4 555500 (gebührenfrei) vereinbart werden.

Informationen rund um Ausbildung und Studium finden sich unter www.arbeitsagentur.de/bildung.

Eltern finden Informationen zu Ausbildung unter planet-beruf.de/eltern und zu Studium unter www.abi.de/eltern.

Mit dem Erkundungstool Check-U kann ein Kind eine Übersicht über die eigenen Stärken bekommen und welche Berufe passen könnten.

Die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt ist hier zu erreichen.

Die Initiative Klischeefrei macht sich für eine Berufs- und Studienwahl frei von Geschlechterklischees stark.

Ein Beitrag von Magdalena Drexel, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Wedel.