„Jungs sind stark – Mädchen sind Eierquark“ – Euer Ernst?!?

Wenn mein kleiner 5-jähriger Kumpel mit so einem Spruch aus der KiTa kommt, dann läuft in mir ein Gefühlsspektrum von Verwunderung, über Wut, hin zu leichter Verzweiflung ab…denn eine meiner wichtigsten Haltungen ist der Respekt für alle Menschen, unabhängig von all den Merkmalen, die sie nun einmal haben – und nun das!

Viel verlangt von einem 5-Jährigen? – Vielleicht. Und zum Glück haben wir die Fähigkeiten, mit ihm darüber zu sprechen, was das gerade Gesagte bedeutet. Und zum Glück erlebt er Menschen – Frauen* und Männer* – auch in anderen Rollen und kann unsere Rückmeldung annehmen.

Doch woher kommen solche Aussprüche? Und wie wird in der KiTa darauf reagiert? Natürlich genauso, wie wir es tun. Es wird besprochen und die Ungerechtigkeit aufgedeckt. Alles gut also? – Äh, nee!

Denn wie soll ein Junge oder ein Mädchen anders als in diesen Kategorien denken und sprechen, wenn sie doch allgegenwärtig sind. Ob beim Duschgel, den Naschies, dem Schulranzen oder den Kinderbüchern, die wir jeden Tag lesen – Eltern haben zunehmend nur noch die Wahl zwischen Ritter und Prinzessin, Dinosaurier und Einhorn (aber in rosa-regenbogen), Superheld und Fee.

Erstmal ja kein Problem, wenn sie doch Piraten und Prinzessinnen „so mögen“. Äh, doch!

Es wird nämlich dann zum Problem, wenn sich ein Kind nicht eindeutig positionieren möchte, wenn Jungs aber Regenbogen-Einhörner gut finden (sie lernen super schnell, dass es dafür geschützte Räume braucht, um das zuzugeben), oder Mädchen Ponys zwar mögen, aber viel lieber als Piratin Abenteuer erleben wollen, hierfür aber kaum Protagonistinnen in den Büchern und befürwortende Erwachsene finden.

Gendersensible Kinderbücher beispielsweise gibt es

Sie zu finden erfordert von Eltern jedoch einigen Einsatz. Was uns aber sofort und ohne Mühe zufliegt sind die vor-kategorisierten „Leselernbücher für Jungs“ und „Ponyabenteuer für Mädchen“. Das wird schon passen – steht ja drauf!

Studien, die genauer hinschauen, nicht nur auf die Layouts, die Farben und das Marketing, sondern sich z.B. die Rollenverteilung in den Büchern anschauen, gibt es einige. Viele kommen zum Ergebnis, dass die Erlebniswelt, in die Jungen mitgenommen werden, geprägt ist von Abenteuer, Mut und Stärke. Ihre Welt ist weitaus vielfältiger als die, in die Mädchen mitgenommen werden. Diese haben die Möglichkeit z.B. mit ihren Eltern auf einen Ponyhof zu fahren, (das ist dann schon abenteuerlich), machen aber ihre meisten Erfahrungen im Alltag, helfen der Mama, der Nachbarin, oder der Großmutter, gehen mit Hunden spazieren und lernen Pizzabacken. (Du willst dazu mehr lesen, dann schau doch bei dem Projekt der Süddeutschen Zeitung dazu weiter).

Okay, und wo ist jetzt das Problem? Äh, hier!

Wenn ich immer wieder vorgelesen bekomme, dass ich als Mädchen hilfsbereit, freundlich und weniger mutig als die Jungs bin/sein soll, dann glaube ich das irgendwann. Doch was, wenn ich selbst es anders erlebe, mich anders erlebe? Die Dissonanz spüren Kinder schon sehr früh (siehe das Aufsuchen von geschützten Räumen für „unangepasste“ Vorlieben oder Hobbies).

Und was, wenn ich mich als Junge aber schnell fürchte, wenn die Ritter kämpfen, oder es nicht aushalte, wenn ein kleiner Pirat von den bösen Piraten gefangen genommen wird? Wieviel Gewalt muten wir „unseren Jungen“ hier zu?

Es kann alles gut gehen – keine Frage. Eure Kinder entwickeln sich zu selbst-bewussten, empathischen Menschen, die die Diversität, die sie in Schule, Sportverein und in der Familie erleben annehmen können. Es kann aber auch zu Leid und Ausgrenzung führen, wenn unsere Kinder nicht so viel über die Unterschiedlichkeit von anderen und das „so sein dürfen“ für sich selbst lernen.

Und wie mach ich jetzt weiter?

Ihr könntet eure Kinder auf ihrem Weg gut unterstützen, indem ihr nicht immer mitmacht bei dem Gender-Marketing der Süßwarenindustrie und der Verlage von Kinderbüchern. Indem ihr auf verschiedene starke Protagonist*innen schaut und Ungerechtigkeiten oder Rollenklischees benennt.

Wie ihr an die Bücher kommt? – Fragt im Fachhandel nach, viele Buchhandlungen haben Ideen für euch, die nicht nur rosa und blau sind.

Außerdem könnt ihr Buchempfehlungen finden von ganz unterschiedlichen Menschen und Institutionen. Zum Beispiel hier:

Dann sparen wir uns vielleicht zukünftig den „Eierquark“ in rosa und blau. Oder zumindest manchmal…das hilft ja schon!

Ein Beitrag von Hannah Gleisner, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Quickborn