„Da war für mich klar: Ich will in die Technik“

Die Lotsinnen* haben schon viele Interviews mit spannenden Frauen geführt. Dieses Mal sprechen wir mit der IT-Administratorin der Stadt Pinneberg über MINT-Berufe, männliche und gesellschaftliche Vorbehalte sowie das Ankommen in einem Berufsumfeld, in dem Frauen in Führungspositionen vertreten sind.

MINT-Berufe beziehen sich auf alle Berufsbilder, die sich unter den Begriffen Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaft sowie Technik einordnen lassen.

Jasmin Sturzebecher ist 1991 in der Stadt Kyritz im Nordwestens Brandenburg geboren. Sie wuchs auf dem bewirtschafteten Hof der Familie auf und absolvierte ihr Abitur in Wittstock. Für ihr Studium Informations- und Elektrotechnik mit einer integrierten Ausbildung verließ sie das ländliche Umfeld, zog nach Hamburg und beendete die Ausbildung als Elektronikerin für Geräte und Systeme. Zurzeit strebt sie berufsbegleitend ihren Abschluss als Handwerksmeisterin der Gebäude- und Energietechnik an. Nach beruflichen Stationen bei Privatunternehmen und beim öffentlichen Dienst ist sie seit 2021 bei der Stadt Pinneberg als IT-Administratorin tätig. Privat entwirft Jasmin Sturzebecher die Vorlagen ihrer Tattoos selbst und ist auch sonst sehr kreativ unterwegs.

Wie sind Sie mit den MINT-Berufen in Berührung gekommen?

Mit MINT-Berufen bin ich durch meine schulische Laufbahn in Kontakt gekommen. Auf dem Gymnasium war ich in den Fächern Technik, Wirtschaft und Physik immer gut. Besonders mein Techniklehrer hat meine Mitschülerinnen und mich konkret unterstützt und unsere Blicke für die MINT-Bereiche geöffnet. Er hat kreative Experimente gemacht und so Begeisterung, Neugierde und Wissensdrang bei uns geweckt. Die praktischen Versuche im Laborraum waren schon ziemlich klasse! Während der Schulzeit war ich mal bei einer Informationsveranstaltung zu MINT-Berufen von der Arbeitsagentur und habe dort eine bessere Vorstellung davon bekommen, was Mädchen und Frauen für Möglichkeiten haben. Es ist wichtig, dass Schülerinnen solche Angebote annehmen, sonst bleiben die Berufswünsche immer gleich und Mädchen gehen keine neuen Wege. Für mich war das auf jeden Fall gut. Um sicher zu gehen habe ich sogar während der Sommerferien zwei Wochen draußen in einem Betonwerk gearbeitet. Da war klar: Ich geh in die Technik!

Gab es bei der Berufswahl Bedenken oder Widerstände seitens des privaten oder beruflichen Umfelds?

Oh ja, von beiden Seiten! Meine Mutter hatte die Sorge, dass ich in einer männerdominierten Berufswelt Ablehnung erleben könnte, gegen die ich mich nicht durchsetze. An meinem fachlichen Können hat sie allerdings nie gezweifelt. Auch in Bewerbungsgesprächen musste ich öfter hören, ob ich mir sicher bin, weil dies ein männerdominierter Beruf sei. Leider sind in den Jahren der Ausbildung und später auch im Job unschöne Situationen nicht ausgeblieben. Aber ich habe mich immer behaupten können und bin so auch zu meiner starken Haltung gekommen. Als ich in der Privatwirtschaft als Ausbilderin einen Auszubildenden korrigiert habe, hat er gesagt: „Ich lass mir von einer Frau nix sagen!“. Da war meine Antwort klar: „Ich möchte, dass du deine Ausbildung schaffst. Die Aussage habe ich jetzt überhört. Das ist ein Kündigungsgrund.“ Das hat geklappt: Er war seitdem höflich und hat seine Aufgaben erledigt und zugehört, wenn ich ihm etwas erklärt habe.

Seit 2021 sind Sie in der Stadt Pinneberg als IT-Administratorin tätig. Die Stadtverwaltung wird von der Bürgermeisterin Urte Steinberg geführt und von Frau Natalina di Racca-Boenigk als Bürgervorsteherin vertreten. Außerdem sind die Führungspositionen fast durchgehend paritätisch besetzt. Hat dies Auswirkungen auf das Arbeitsklima?

Ein klares „Ja“. Gemischte Teams sind das Beste für alle. Dass alle in der Stadtverwaltung auf jeder Ebene weibliche und männliche Führungskräfte erleben und alle ein gemischtes Umfeld um sich haben, macht uns insgesamt leistungsstärker. Das habe ich in Pinneberg kennen und schätzen gelernt. In meinem Team ist genau das der Grund für unsere wirklich gute Zusammenarbeit. Fachliche oder persönliche Ungleichbehandlungen seitens meiner männlichen Kollegen habe hier nie erlebt. Im Gegenteil: Wir teilen schwierige Aufgaben untereinander auf und gehen mit Fehlern konstruktiv um. „Du kannst das!“ ist das Gefühl, was wir vermittelt bekommen. Das ist gut. Klar, es gibt überall hier und da Menschen, die der fachlichen Leistung von Frauen aus MINT-Berufen noch nicht ganz vertrauen. Aber das ist selten geworden und spielt in meinem beruflichen Alltag heute kaum noch eine Rolle.

Braucht es vor diesem Hintergrund immer noch Gleichstellungsbeauftragte in den Kommunen?

Leider ja. Es ist wichtig, dass Kolleginnen und Kollegen eine Vertrauensperson haben, an die sie sich in schwierigen Situationen wenden können. Es gibt Themen, die man nicht mit seinen Vorgesetzen, Kolleginnen oder Kollegen ansprechen oder klären möchte. Da ist die Ansprechperson „Gleichstellungsbeauftragte“ sehr hilfreich. Die Gespräche sind absolut vertraulich und jedes Tätigwerden der Gleichstellungsbeauftragten in meinem Anliegen wird mit mir abgestimmt. Wir sollten einfach darauf achten, dass prinzipiell der oder die Bessere den Job bekommt und dennoch ein gemischtes Team, egal auf welcher Ebene, vorhanden ist, sodass sich weder Frau noch Mann aufgrund des Geschlechts ungerecht behandelt fühlt.

Liebe Frau Sturzebecher, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Ein Beitrag von Deborah Azzab-Robinson, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Pinneberg