Buchbesprechung

Die Autorin Evke Rulffes war über die große Resonanz auf ihr Buch „Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung“ im Oktober 2021 selber überrascht. Dieses berichtete sie mir als geladene Referentin zur Vorbereitung des 36. Elmshorner Frauenempfangs mit dem gleichlauteten Motto.

Das Thema „Hausfrau“ liegt also immer noch in der Luft, hat eine ganz aktuelle Brisanz. Woran liegt das? Wie kann es sein, wo wir doch dachten, wir wären längst viel weiter?

Ein Erklärungsansatz: Die Pandemie

2021 hatten wir das erste Jahr der Pandemie hinter uns. Die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Corona lenkten den Blick wie ein Brennglas auf die Gesellschaft und auf das, was in dieser immer noch zu einer strukturellen Geschlechterungerechtigkeit führt. Trotz aller gleichstellungspolitischen Instrumente. So formulierte es damals die Soziologin Jutta Allmendinger in ihrem ebenfalls 2021 erschienen Buch „Es geht nur gemeinsam“.

Systemfehler – wie die strukturelle Benachteiligung von Frauen – aufzuzeigen und zu bekämpfen, ist eine der Kernaufgaben der Gleichstellungsbeauftragten. Eine besonders hartnäckige Problematik in diesem Zusammenhang begleitet mich in meiner Arbeit seit jeher und wurde in den letzten Jahren, auch vor dem Hintergrund reaktionärer politischer Strömungen, immer drängender:

Die deutsche Gesellschaft ist immer noch geprägt von dem Bild einer traditionellen Arbeitsteilung in der Familie: der vollberufstätige Ernährer einerseits und die „treusorgende“ Ehefrau und Mutter andererseits. So wird die Hausarbeit/Care-Arbeit -also Betreuungsarbeitals eine von den Frauen erwartete unbezahlte Selbstverständlichkeit, die aus Liebe zur Familie geschieht, definiert. Paare, die eine gleichberechtigte Partnerschaft führen wollen, haben es in Deutschland schwer, sobald Kinder kommen. Immer noch übernehmen die Frauen einen Großteil der Erziehungsarbeit für die Kinder. Das gilt im Übrigen auch, wenn es um pflegebedürftige Angehörige geht.

Wir haben heute jede Menge Maschinen, die uns helfen, Frauen sind in Vollzeitberufstätig und haben Führungspositionen inne, aber gleichzeitig hat sich wenig an 200 Jahre alten Gender-Stereotypen geändert. Die Folge davon ist: der Druck auf die moderne Mutter erhöht sich wegen aller Anforderungen, die an sie gestellt werden: Sie soll Erfolg im Beruf haben, eine einfühlsame Mutter sein, eine sexy Partnerin abgeben und in einem frisch geputzten Hause leben. Das ist faktisch unmöglich. Frauen reiben sich ständig auf, ohne dafür auch nur im Ansatz eine angemessene gesellschaftliche oder finanzielle Anerkennung zu erhalten.

Sich dagegen aufzulehnen ist schwierig, weil die Rahmenbedingungen oft nicht stimmen, d.h. Kita-Plätze fehlen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch immer in vielen Bereichen ein Reizthema ist, auch für Väter, die beispielsweise eine längere Elternzeit und eine deutliche Stundenreduktion anstreben.

Besonders deutlich wurde dies während des Lockdowns, wo der überwiegende Teil der zusätzlichen Arbeit wie Homeschooling und Hausarbeit bei gleichzeitiger Arbeit im Homeoffice und Betreuung der Kleinkinder wegen geschlossener Kitas den Frauen abverlangt wurde. Es wurde zwar erkannt, dass Care-Arbeit eine wirtschaftliche undsoziale Bedeutung hat, also systemrelevant ist, aber geändert hat sich wenig.

Hier läuft aus Sicht der Frauen etwas gehörig falsch. Die möglichen Folgen für die Frauen liegen auf der Hand: Doppelbelastung, weniger Zeit und Kraft für ihre berufliche Karriere, weniger Gehalt, weniger Rente, eine mögliche finanzielle Abhängigkeit, aber auch weniger Zeit und Kraft für Hobbies, Sport, usw..

Jutta Allmendinger spricht von einem Roll-Back in die alten Rollenmuster, d.h. wir fallen aus feministischer Sicht zurück in Zeiten, die wir längst überwunden glaubten.

Ein Erklärungsansatz: Die Wurzel

Wo liegen die Wurzeln dieser so fest in unserer Gesellschaft verankerten vermeintlichen Gewissheit Haus- und Care Arbeit = Frauenarbeit, also Hausfrauenarbeit? Gefühlt war das schon immer so. Stimmt das? Wo kommt dieses Denken her und wer ist dafür verantwortlich?

Evke Rulffes ist Kulturhistorikerin an der Berliner Humboldt-Universität und hat sich in ihrer Doktorarbeit intensiv mit diesen Fragen beschäftigt.  Ihre wesentlichen Erkenntnisse hat sie in einem Sachbuch zusammengefasst und unter dem Titel „Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung“ veröffentlicht.

Sie erklärt ihrer Leserschaft auf unterhaltsame Art den schleichenden Wandel von einer anerkannten Hausmutter des 17./18. Jahrhunderts, wo „Hausmutter“ durchaus ein Herrschaftsbegriff war, zur unbezahlten Hausfrau im 20. Jahrhundert, die „aus Liebe“ unsichtbare Arbeit leistet und dafür nur wenig gesellschaftliche Anerkennung erhält. Die Auswirkungen spüren wir auch heute im 21. Jahrhundert noch auf die aufgezeigte vielfache Art.

Evke Rulffes
Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung
HarperCollins, 2021
ISBN 978-3-7499-0240-8

Ein Beitrag von Heidi Basting, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Elmshorn