Sicher beim Sport?!

Ob Fotografen, die Fotos machen von verrutschenden Turnanzügen, oder Trainer*innen, die bei Hilfestellungen immer wieder unangemessene Stellen anfassen, bis zu Teammitgliedern, die einem auf der Party doch zu nahekommen – Gewalt im Sport hat viele Facetten.

Eine deutschlandweite Studie, die zwischen 2014-2017 durchgeführt wurde, hat diese Häufigkeiten festgestellt: Ein Drittel aller Kaderathlet*innen im gemeinnützig organisierten Sport in Deutschland hat sexualisierte Gewalt erfahren. Frauen und Mädchen sind dabei signifikant häufiger von sexualisierter Gewalt betroffen als Männer und Jungen (schaue gern in die Studie, S. 10-11). Leider werden diese Zahlen sowohl von anderen (z.B. durch die Fallstudie „Sexualisierte Gewalt und sexueller Kindesmissbrauch im Kontext des Sports“ von der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs von 2022) als auch durch veröffentlichte, persönliche Erfahrungen, wie z.B. dem einstigen Weltklasse-Wasserspringer Jan Hempel, bestätigt.

Aus dem Grund haben sich das Bundesministerium des Innern und für Heimat, die 16 Bundesländer, Athleten Deutschland e.V., eine Vertreterin aus dem Betroffenenrat der Stelle “Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM)” sowie ein Vertreter aus der Wissenschaft 2022 darauf verständigt eine Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene sexualisierter, psychischer und physischer Gewalt zu schaffen, und den Verein Safe Sport e.V. gegründet. Heute sprechen wir mit Ina Lambert (Geschäftsführerin von Safe Sport e.V.) über den Verein und wie er euch helfen kann.

Liebe Frau Lambert, welche Menschen können sich an Sie wenden?

Melden können sich alle Menschen, die im Breiten- oder Spitzensport Gewalt erlebt oder beobachtet haben. Wir sind also für betroffene Sportler:innen, Trainer:innen und Beschäftigte oder Ehrenamtliche im Sport da, für Angehörige und Partner:innen von Betroffenen und auch Unterstützer:innen. Wir beraten Menschen jeden Alters, jeder Herkunft, jedes Geschlechts und jeder Lebensweise. Um Betroffene zu schützen, werden Beschuldigte oder Täter:innen nicht von uns beraten.

Welche Form der Beratung bieten Sie an?

Wir bieten psychologische und/oder juristische Beratungen an – anonym und kostenfrei. Wir beraten bundesweit telefonisch unter 0800 11 222 00, online über die Safe Sport-App und vor Ort in Berlin. Das Anliegen der Ratsuchenden steht dabei stets im Mittelpunkt – sei es eine juristische Einordnung

Wieso braucht es eine Beratungsstelle für Gewalt speziell im Sportbereich?

Im Sport gibt es häufig Machtstrukturen und -gefälle, die Gewaltvorkommnisse begünstigen können. Ebenso spielen Faktoren wie bspw. Körperzentrierung, Umzieh- und Duschsituationen, Leistungsorientierung, Geschlechterrollen sowie ein niedrigschwelliger Zugang für Täter:innen eine Rolle. Die „SicherImSport“-Studie hat gezeigt, dass 70 % der Befragten bereits mindestens eine Form von psychischer, sexualisierter und/oder physischer Gewalt im Sport erlebt hat.

Die „SicherImSport“-Studie findet ihr unter folgendem Link: https://www.dshs-koeln.de/fileadmin/redaktion/Aktuelles/Meldungen_und_Pressemitteilungen/2022_PDFs_PM/Bericht_SicherImSport.pdf

Ein Jahr Unabhängige Ansprechstelle Safe Sport e.V., was sind die ersten Erfahrungen?

Unsere Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit zahlt sich aus – es melden sich mehr und mehr Menschen bei uns. Auch steigt der Anteil an Ratsuchenden, die selbst von Gewalt betroffen sind oder es in der Vergangenheit waren und Unterstützung suchen. Es freut uns, dass Betroffene uns dieses Vertrauen entgegenbringen. Unsere Ansprechstelle füllt eine wichtige Lücke, indem wir einen Safe Space außerhalb der Sportstrukturen bieten. Nichtsdestotrotz bleibt noch viel zu tun – besonders hinsichtlich der fehlenden Durchgriffsmöglichkeiten im Sport. Auch werden Fälle im Nachgang nicht ausreichend aufgearbeitet.

Was können/sollten Sportvereine in den Kommunen unbedingt tun?

Vereine sollten trotz oftmals geringer Kapazitäten und Ressourcen das Thema nicht wegschieben. Gewalt kann überall passieren, das darf man nicht ausblenden. Prävention und Sensibilisierung können helfen: Vertrauenspersonen für das Thema benennen und diese entsprechend schulen lassen, die Haltung in der Vereinssatzung verankern, Ehrencodizes entwickeln und unterschreiben lassen, erweiterte Führungszeugnisse der Beschäftigten einholen, ein Kinderschutzkonzept erstellen – es gibt viel zu tun. Unterstützen kann dabei der jeweilige Landessportbund. Und ansonsten: Natürlich auf Stellen wie unsere hinweisen – das stärkt und ermutigt Betroffene, die Hilfe benötigen.

Liebe Frau Lambert, vielen Dank für das Interview!

Ein Beitrag von Eline Joosten, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Uetersen

Zunächst die EM, dann Olympia und die Paralympics – ein Sportsommer der Superlative. Da ist es an der Zeit einmal ein Blick auf das Thema „Gleichstellung und Sport“ zu werfen.  Wir werden verschiedene Gedanken dazu in verschiedenen Beiträgen mit euch teilen.