Wenn ich in den letzten Wochen und Monaten durch meinen Instagram-Feed gescrollt habe, konnte ich es gar nicht übersehen: Die Forderungen, das Gewalthilfegesetz auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen waren quasi überall. Sie kam vom Deutschen Frauenrat, dem djb, den autonomen Frauenhäusern, von Gleichstellungsbeauftragten, Parteien und von vielen zivilen Personen. Noch wenige Tage vor der 2. Lesung wurden einer Bundestagsabgeordneten 10.000ende Unterschriften übergeben – für die Verabschiedung des Gewalthilfegesetzes. Die demokratischen Parteien im Bundestag haben lange diskutiert und nach einem Kompromiss gesucht und am 31. Januar 2025 war es dann soweit. Das Gewalthilfegesetz wurde einstimmig vom Bundestag beschlossen. Heute, am 14. Februar 2025 stimmte auch der Bundesrat dem Gesetz zu.
Dass dieses Gesetz noch beschlossen werden konnte, freut mich besonders. Nicht nur, weil ich es inhaltlich so immens wichtig finde, sondern weil es wirklich auf der Kippe stand. An diesem Gesetz wurde lange von der Politik, Verbänden und von Fachfrauen gearbeitet. Lange wurde es von dem damaligen Finanzminister der Ampel Koalition zurückgehalten und stand nach dem Bruch der Koalition nicht auf der Liste der priorisierten Vorhaben, die noch umgesetzt werden sollten.
Das, was dann begann, ist es, was mich so begeistert: Frauen aus der Politik, aus Vereinen und den unterschiedlichsten Verbänden forderten die Umsetzung des Gesetzes. Sie schrieben Stellungnahmen, demonstrierten, sammelten unglaublich viele Unterschriften und setzten sich, über die Parteigrenzen hinweg, für dieses Gesetz ein.
Ein Gesetz, dass den Schutz von Frauen vor Gewalt zu einer pflichtigen Leistung macht. Das ist wichtig, weil es bisher eine freiwillige Leistung war und die Kommunen und Kreise selber entscheiden konnten, ob sie für den Schutz vor Gewalt aufkommen oder nicht. Der Gewaltschutz in Deutschland hängt nun nicht mehr an der Postleitzahl. Das ist eine gute Nachricht.
Ich bin mir sicher, dass es nicht dazu gekommen wäre, wenn wir Frauen* nicht gemeinsam laut geworden und uns für dieses Gesetz eingesetzt hätten. (An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass es Teil des Kompromisses war, die Schutzeinrichtungen nicht für Trans-Frauen zu öffnen. Eine Entscheidung, die ich für falsch halte und bedauere. )
Die Geschichte zeigt uns immer wieder, dass Frauen, wenn sie gemeinsam für eine Sache kämpfen so viel erreichen können.
Ein gutes Beispiel ist der Kampf um die Einführung des Frauenwahlrechtes
Bis ins frühe 20. Jahrhundert waren Frauen politisch und gesellschaftlich unmündig. Doch Frauen wie u.a. Clara Zetkin, Helene Lange, Anita Augsprung und Marie Juchacz setzten sich bereits damals für Frauenrechte und für das Frauenwahlrecht ein. Das Besondere ist, dass diese Frauen alle unterschiedlichen Flügeln der damaligen Frauenbewegung angehörten. Diese unterschiedlichen Flügel der Frauenbewegung des frühen 20. Jahrhunderts waren, ebenso wie die Lebenswirklichkeiten der Menschen sehr unterschiedlich. Die Ansichten der unterschiedlichen Bewegungen unterschieden sich stark. Doch eins einte die Frauen: Der gemeinsame Kampf um das Frauenwahlrecht. Sie gründeten Vereine, hielten Reden, organisierten Demonstrationen und überzeugten eine wachsende Zahl von Menschen davon, dass Frauen die gleichen politischen Rechte wie Männer haben sollten.
Das Wahlrecht wurde hart erkämpft. Es wurde gemeinsam erkämpft.
Die Mütter des Grundgesetzes prägen bis heute unsere Verfassung
Nachdem unter der Herrschaft der Nationalsozialisten den Frauen das passive Wahlrecht wieder aberkannt wurde (sie durften wählen aber nicht mehr gewählt werden) bekam der westdeutsche Teil Deutschlands 1949 mit dem Grundgesetz eine neue Verfassung. Der Parlamentarische Rat bestand aus 61 Männern und 4 Frauen. Elisabeth Selbert, Helene Weber, Frieda Nadig und Helene Wessel gingen als die Mütter des Grundgesetzes in die Geschichte ein.
Besonders Elisabeth Selbert setzte sich für die Aufnahme des Artikel 3, Absatz 2 „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ ein. Sie überzeugte erst ihre drei Mitstreiterinnen. Nachdem der Vorschlag anfangs abgelehnt wurde, mobilisierte sie Frauenorganisationen, hielt Vorträge in Fabriken und auf Versammlungen und schaffte es das Wäschekörbe voller Protestbriefen eingingen. Der Druck der Frauen hatte Erfolg: Die Gleichberechtigung wurde im Grundgesetz verankert. Ohne die parteiübergreifende Zusammenarbeit der vier Mütter des Grundgesetzes und dem Einsatz der Frauen hätte es diesen Artikel nicht gegeben.
Ein langer Kampf für Gerechtigkeit – das Verbot der Vergewaltigung in der Ehe
Bis 1997 galt Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland nicht als Straftat. Dies bedeutete, dass Männer ihre Ehefrauen ohne strafrechtliche Konsequenzen vergewaltigen konnten. Frauenrechtlerinnen und Politikerinnen kämpften jahrelang dagegen an. Der erste Antrag dazu wurde bereits 1973 im Bundestag gestellt. Es dauerte aber noch bis 1997, also über 20 Jahre bis das Verbot eine Mehrheit im Bundestag fand.
Eine Mehrheit, die nur zustande kam, weil Frauen und Frauenrechtsorganisationen immer wieder mit dem Thema in die Öffentlichkeit gingen und ein Verbot forderten:
Mit der Öffentlichkeit im Rücken setzten sich Frauen (und auch Männer) fraktionsübergreifend für dieses Verbot ein. Bei der Abstimmung wurde der Fraktionszwang aufgehoben. Vergewaltigung in der Ehe wurde zu einem Straftatbestand.
Es gibt noch viele unterschiedliche Beispiele, die ich hier aufzählen könnte: die Abstimmungen um den §218, das Gewaltschutzgesetz von 2002, die Reformierung des Sexualstrafrechts 2018 … All diese Beispiele, haben immer wieder bewiesen, dass eine große gesellschaftliche Veränderungen erreicht werden kann, wenn wir uns zusammenschließen.
Ohne Solidarität, Hartnäckigkeit und den Mut von so vielen Frauen gäbe es heute keine Gleichberechtigung.
Wenn wir uns gegenseitig unterstützen und gemeinsam für eine Sache einstehen – dann können wir alles erreichen!
Gestern, heute und in Zukunft!
Ein Beitrag von Tinka Frahm, Gleichstellungsbeauftragte Kreis Pinneberg